Jahresrückblick 2022 von André

In dieser 📝 Artikelserie werfen wir im Rahmen des 🌟 Shelfd Streaming Awards 2022 einen Blick zurück auf unser Streaming-Jahr (und darüber hinaus). Dabei betrachten wir alle Neustarts, die uns von Dezember 2021 bis November 2022 in Erinnerung geblieben sind. Die Redaktion konnte den persönlichen Jahresrückblick völlig frei gestalten.

Als in Leipzig und damit Sachsen lebender Mensch begann das Filmjahr 2022 so, wie das vorangegangene aufhörte: zappenduster. Denn bei uns im Freistaat waren die Kinos wegen Corona tatsächlich noch einmal geschlossen. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich gerade einmal zwei Serien für den Shelfd Streaming Award 2022 nominieren konnte. Was mir dank Kinoschließungen fehlte, habe ich nämlich mit dem Streamen von Filmen etwas überkompensiert.

Trotzdem ist es mir nicht gelungen, für unsere Nominierungsphase 20 Streaming-Originals, die wirklich herausragend waren, zu finden. Das sagt aber mindestens genauso viel über die Streaming-Landschaft wie über meine Ansprüche aus. 😉

So, ohne weiter große Reden zu schwingen, will ich jetzt erklären, was mir persönlichen an den Filmen und Serien in der Top-20 des Shelfd Streaming Awards 2022 gefallen haben.

Severance S1 (Apple TV+) – Platz 1

„Severance“ nähert sich absurden spätkapitalistischen Auswüchsen mit einem brillanten Cast, cooler Optik, selbstsicherer Ruhe und einer frischen Idee. Mindestens genauso bemerkenswert fand ich in diesem Zusammenhang aber die Rolle von Ben Stiller. Der hat die Serie nämlich nicht nur produziert, sondern stand auch bei sechs der neun Episoden dieser ersten Staffel als Regisseur hinter der Kamera. Und dafür beweist er ziemlich viel Talent.

Im Westen nichts Neues (Netflix) – Platz 3

„Im Westen nichts Neues“ war für mich vor allen Dingen aus einem Grund ziemlich interessant: Der Film zeigt eindrücklich, welches Potenzial in deutschen Produktionen steckt. Ganz umgangssprachlich ausgedrückt: Der Streifen ist audiovisuell ein absolutes Brett. Davon abgesehen habe ich mich jedoch gefragt, ob nicht langsam mal ein neuer filmischer Umgang mit dem Thema Krieg gefunden werden muss. Denn Leid und Eintönigkeit zu zeigen, stellt letztlich nur das sowieso Offensichtliche fest. Letztlich ging es mir mit “Im Westen nichts Neues” ähnlich wie mit Denis Villeneuves “Dune”: am Ende enttäuscht, das aber auf hohem Niveau. Deshalb, weil der Film eben zu mehr als dem reinen Wegkonsumieren einlädt, habe ich ihn auch für den Shelfd Streaming Award nominiert.

Athena (Netflix) – Platz 4

Mich hat 2019 schon Ladj Lys „Les Misérables – Die Wütenden“ arg begeistert. Deshalb musste ich mir auch direkt „Athena“ bei Netflix anschauen, an dessen Drehbuch Ly mitgeschrieben hat. Die beiden französischen Kracher über gesellschaftliche Unwuchten funktionieren besonders gut als Double Feature, aber auch für sich stehen ist “Athena” eine ziemliche Wucht und auch rein handwerklich beeindruckend.

The Power of the Dog (Netflix) – Platz 6

Jane Campions „The Power of the Dog“ habe ich an anderer Stelle schon einmal als Underdog bezeichnet. An cinephilen Menschen und Streameast*innen ging der Film natürlich trotzdem nicht vorbei. Und auch sonst hat er sich durchaus einen Namen ersteamt. Warum? Dafür möchte ich mich kurzerhand selbst zitieren:

Während klassische Western nämlich oftmals das Grenzland im wortwörtlichen Sinne ausloten, beginnt „The Power of the Dog“ wie andere neuere Vertreter des Genres – beispielsweise Kelly Reichardts „First Cow“ – damit, die inneren Grenzbereiche abzustecken. In welche Richtung kann sich eine Gesellschaft in einem noch nahezu grenzenlosen Land entwickeln? Lassen sich Geschlechterrollen brechen und neu definieren? Können starre Machtstrukturen gebrochen werden?

The Marvelous Mrs. Maisel S4 (Prime Video) – Platz 11

Mrs. Maisel hat in ihrer vierten und damit auch letzten Staffel leider etwas an Fahrt verloren. Dennoch hat sie sich ihren Platz und den besten Streaming-Originals des Jahres verdient, denn schlecht ist dieser Abschluss mit den über Jahre hinweg liebgewonnenen Figuren dann auch wieder nicht. Eher im Gegenteil: Die Staffel besinnt sich wieder zurück auf die Anfänge der Serie im Kleinen, Schrulligen und Charmanten.

Frau im Dunkeln (Netflix) – Platz 12

Die „Frau im Dunkeln“ hat mich schwer berührt. Denn der Film versucht ein Thema zu durchdringen, das hierzulande im gesellschaftlichen Diskurs immer noch mit Samthandschuhen angefasst wird. Die Soziologin Orna Donath nennt es “Regretting Motherhood” und veröffentlichte unter diesem Titel 2015 auch eine Studie.

Gladbeck – Das Geiseldrama (Doku, Netflix) – Platz 15

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann sind Netflix’ Doku-Originals weitestgehend für die Tonne. Doch „Gladbeck – Das Geiseldrama“ stach für mich im sich dem Ende zuneigenden Jahr sehr deutlich aus dem mittelmäßigen Einheitsbrei heraus. Denn alleine die Form der Doku ist eine Form der Kritik. Denn hätten verschiedenste deutsche Medien damals während des Geiseldramas verschiedenste rote Linien ihrer Profession überschritten, wäre auch diese rein aus Archivmaterial zusammengeschnittene Doku nie möglich gewesen.

The Stranger (Netflix) – Platz 16

„The Stranger“ ist eine atmosphärisch vereinnahmend dichte Auseinandersetzung mit dem Thema Schuld. Der Film zeichnet Schuld als schwarzes Loch, das alles in seiner Nähe auffrisst und so selbst die Erlösung kaum noch Platz hat, um ihre befreiende Wirkung zu entfalten. „The Stranger“ ist ein bitterer Film, der von mir aus gerne direkt mit offeneren Karten hätte spielen und auf so manche Wirrung verzichten können. Denn die hat er nicht nötig, weil seine Stärke in der Ruhe liegt, die einer erdrückenden Last gleicht. Und naja, mich begeistert fast alles mit Joel Edgerton und Sean Harris.

Macbeth (Apple TV+) – Platz 17

„Macbeth“ ist sicherlich nicht die stärkste Adaption der Shakespeare-Tragödie. Dennoch ist mir der Film mit seinen starken Kontrasten, ans Theater angelehnten Kulissen und der besonders eindrücklichen Inszenierung der drei Hexen im Kopf geblieben

Chiara (Mubi, Platz) – Platz 18

„Chiara“ ist wirklich einer dieser unscheinbaren Geheimtipps, die einen zuerst vielleicht etwas lauwarm zurück, jedoch immer und immer wieder an ihn denken lassen. Der italienische Film erzählt über Schuld, Familie und Emanzipation – mal laut und schrill, mal leise und bedacht, immer empathisch und uneintel.

Die Hand Gottes (Netflix) – Platz 19

Paolo Sorrentino hat mit „Die Hand Gottes“ seine eigene Jugend im Neapel der 1980er-Jahre verarbeitet und einen Film voller Nostalgie, Abenteuer und Freiheit, aber auch Trauer geschaffen, der vor allem von seiner dichten Atmosphäre und surrealen Elementen lebt. Das Werk ist gleichzeitig rührend lebensnah und pubertär weltfremd. Für mich hat das eine faszinierende Mischung ergeben.

Kurz und knapp

Meine Honorable Mentions a.k.a. alle Nominierungen, die es nicht auf die gemeinsame Liste des Shelfd Streaming Awards geschafft haben:

Im Kino haben mich begeistert:

Und alles andere findest du drüben bei Letterboxd.

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