Lisa Blumenberg von der Letterbox Filmproduktion ist die Ideengeberin für die Serie Bad Banks, die du hier aktuell in der Mediathek streamen kannst. Im Interview sprechen wir über den Entstehungsprozess, warum man jede Menge visuelle Effekte benötigt, die niemand sieht und wie sich leicht Geschlechterrollen aufbrechen lassen.
Das Gespräch erschien zuerst in der Folge „Talking Money: Alles zu Staffel 2 von Bad Banks – Interviews mit Paula Beer, Oliver Kienle und Lisa Blumenberg“ vom Cliffhanger Podcast (31.01.2020). Wenn du magst, kannst du es dir dort ab Minute 19:26 anhören, oder hier im Artikel lesen.
Hallo Lisa, kannst du uns einmal mit zurück zu den Anfängen von Bad Banks nehmen und erzählen, wie es zu der Idee gekommen ist? Du bist als Produzentin ja nicht ganz unschuldig daran.
Ja, das stimmt. Also für mich gab es in der Finanzkrise 2008 ein einschneidendes Erlebnis, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück gefühlt Hand in Hand vor die Presse getreten sind und an das Volk sprachen: „Bleiben Sie ruhig. Ihr Geld ist sicher. Die Bundesregierung steht dafür ein, dass alles gut wird.“ Zu dem Zeitpunkt wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass die Basis unseres westlichen Lebens und unseres Lebens auf der Welt am Bröckeln ist. Und wie fragil das Finanzwesen ist. Dann habe ich begonnen mich intensiver damit zu beschäftigen und vier Jahr später, also 2012, erstmals gesagt, wie toll es wäre da hinter die Kulissen schauen zu können. Ich wollte im Langformat erzählen, was diese Banker antreibt und was sie machen.
Und dann hat sich sicherlich noch ganz viel verändert und geschärft, als Head-Autor Oliver Kienle dazu kam.
Genau, mit Oliver gab es 2014 den großen Durchbruch. Bis dahin hatte ich schon grobe Ideen für den Bogen der Staffel und Partner zur Finanzierung in Luxemburg gewonnen. Die Struktur einer bi-nationalen Geschichte mit einer jungen Bankerin war somit vorgegeben. Aber Oli hat darin die Figuren und die eigentliche Story erschaffen.
War es zu dem damaligen Zeitpunkt eher förderlich oder hinderlich, dass du diese Idee noch nicht mit einem konkreten Vorbild pitchen konntest? Denn so etwas wie Bad Banks gab es ja noch gar nicht.
Wir waren damit wirklich der Zeit voraus. Denn als ich die Idee vorgestellt habe, gab es in Deutschland noch kein Netflix oder Prime Video von Amazon. Aber ich war natürlich schon großer Fan von Signature-Serien wie „Breaking Bad“ und „24“ aus den USA, was mich angespornt hat. Hier in Deutschland haben dann vor allem Arte und das ZDF in Form von Caroline von Senden große Weitsicht bewiesen. Denn als sie eingestiegen sind, wussten sie selbst noch nicht, wo sie Bad Banks mal unterbringen werden. Aber sie haben uns früh bei der Entwicklung unterstützt. Wahrscheinlich war damals schon zu spüren, dass sich die Fernsehwelt gerade verändert und heute – sechs Jahre nach unserem Start – erleben wir ja einen kompletten Umbruch und Paradigmenwechsel in der TV-Welt.
Was war genau euer Ansatz einer europäischen Co-Produktionen? Das zeichnet Bad Banks ja wirklich aus und es ist immer noch eine komplette Seltenheit.
Ehrlich gesagt bin ich da inhaltlich dran gegangen. Mir war klar, dass die Welt der Hochfinanz, die ich erzählen wollte, eine internationale ist. Die ganzen Banken hängen weltweit zusammen und auch große Fusionen wie in unserer ersten Staffel haben sich schon abgezeichnet. Neben diesem Ansatz war die Finanzwelt auch absolut geeignet, auf ein globales Interesse zu stoßen – und somit europäisch erzählt zu werden. Luxemburg bot sich dann als großer Finanzplatz organisch an.
Und genau dort hast du ja dann auch einen Geldgeber gefunden.
Ich wusste schon, dass Luxemburg, obwohl es so klein ist, eine sehr starke Film-Industrie und potente Filmförderung hat. Also habe ich früh Kontakt aufgenommen und mit Nicolas Steil von der Iris Productions unseren Co-Produzenten gefunden. Ein Gremium der Filmförderung hat Bad Banks dann vor Ort aufgrund von Qualitätskriterien ausgewählt und unterstützt. Wir mussten strenge Auflagen erfüllen und zum Beispiel mehr als die Hälfte aller Drehtage in Luxemburg arbeiten, sowie luxemburgische Schauspieler in bestimmten Positionen casten und Teammitglieder aus Luxemburg engagieren. Das ist sehr klar geregelt.
Inwiefern haben sich dann die Produktionsbedingungen von Staffel 1 zu Staffel 2 verändert?
Wir haben von Anfang an eine immense Produktion hingestellt. Das spürt man allein an dem Gewusel im Hintergrund, mit den vielen Menschen als Komparsen, dem wahnsinnigen Tempo der Bücher von Oliver Kienle, der Menge an Figuren und Szenenwechsel. Das alles kostet jede Menge Geld und in Staffel 1 haben wir das überhaupt nur dank der wahnsinnigen Professionalität unseres Teams um Regisseur Christian Schwochow und der Schauspieler geschafft, die sich alle reingehängt haben. In dieser Produktion war und ist ein ganz besonderer Spirit zu spüren! In Staffel 2 wollten wir das Niveau auf jeden Fall halten. Passend zur inhaltlichen Überlegung die Bankenwelt um die FinTech-Szene zu erweitern, konnten wir mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg dann noch einen zusätzlichen Förderer mit aufnehmen. Somit stand uns noch etwas mehr Geld zur Verfügung.
Ich habe den Vergleich gelesen, dass eine Folge eurer Serie ungefähr die Kosten hatte wie ein typischer Tatort. 60 Minuten Bad Banks entsprechend also 90 Minuten Tatort. Für deutsche Verhältnisse ist das astronomisch aber im internationalen Vergleich immer noch wenig. Was bedeutet es so ein Budget ins Bild zu bringen?
Das fängt natürlich damit an, dass Bad Bank in mehreren Städten und Ländern spielt. In Staffel 2 verlagern wir sogar einen kleinen Teil der Handlung nach Mauritius. Das heißt ganze Teams müssen von A nach B bewegt werden, es entstehen Reisekosten und Übernachtungen. Auf allen Ebenen und Fachabteilungen wurde sehr genau recherchiert und auch die Teams wurden größer. Weiter geht es bei der realistischen Ausstattung einer Bank oder auch von unserem Inkubator, der Brutstätte für junge FinTech-Startups.
Wurde das im Berliner Futurium gedreht?
Nee, haben wir nicht.
Auch nicht die Außeneinstellungen?
Die haben wir in Luxemburg gedreht.
Und jetzt habt ihr eine Berliner Geschichte erzählt, aber in Luxemburg gedreht?
Genau, weil wir weiter mit unseren Partnern zusammenarbeiten und auch die Fäden der Luxemburger Figuren weiterspinnen wollten. Aber in der Tat spielt die zweite Staffel bis auf eine Sequenz gar nicht in Luxemburg. Wir haben trotzdem die Hälfte dort gedreht. Da muss man zu bestimmten Tricks greifen, die im Film ganz normal sind. Hoffentlich nimmt das den Zuschauern jetzt nicht die Illusion… Aber das kann ich erzählen: Der große Inkubator ist ein sehr spaciges und spektakuläres Gebäude, das wir aus zwei Gebäuden in Luxemburg zusammengesetzt haben. Der aufällige, glänzende Kubus ist eine Art Konzerthalle, die auf dem Universitätsgelände in Luxemburg steht. Direkt daneben stehen Hochöfen und alte Stahlkomplexe. Und da rein hat unsere tolle Szenenbildnerin Silke Buhr das Waben-Design des Inkubators reingebaut, wie in ein Studio. Später wurde das dann noch digital in die Höhe und in die Tiefe vergrößert.
Das ist ein super Übergang zu meiner nächsten Frage: Ich möchte nämlich über die visuellen Effekte von Bad Banks sprechen. Das ist beim Zuschauen kaum sichtbar, erforderte aber große Investitionen. In Staffel 1 musstet ihr ja zum Beispiel virtuell ein komplett neues Bankengebäude in Frankfurt errichten.
Noch kurz ein Satz zum Inkubator: Im Nachhinein mussten wir dort auch noch die Berliner Skyline einsetzen, weil wir das Gebäude ja dort verortet haben. Ich bin gespannt, wie viele – hoffentlich begeisterte – Zuschauer demnächst in Berlin herum irren und dieses tolle Gebäude besichtigen wollen. Die Entscheidung, warum unsere Deutsche Global Invest ein eigen gestaltetes Gebäude in Frankfurt brauchte, liegt an dem fiktionalen Charakter der Geschichte. Wir konnten ja keinen vorhandenen Turm nehmen und behaupten, das ist die GDI und nachher wäre es die Commerzbank gewesen.
Es ist beeindruckend, wie stark visuelle Effekte in Filmen und Serien eine Rolle spielen, in denen es eigentlich nicht um besondere Effekte wie durch Explosionen geht. Ihr nutzt sie für eure Geschichte.
Genau, das ist glaube bei ganz vielen VFX’en der Fall. Zum Teil wusste ich selber nicht mehr, ob und wo wir irgendwas verändert haben. Das ist glaube ich die Kunst, dass man das nicht mehr sieht.
Noch so eine Kunst, die du öfter selbst anwendest, ist es in der Drehbuchphase Geschlechterrollen auszutauschen und zu gucken, ob eine Figur, die als Mann angelegt ist, nicht auch als Frau agieren könnte.
Das stimmt – aber erfunden habe ich das auch nicht. Ich nutze es als vergnügliches Element der eigenen Überprüfung und als dramaturgisches Mittel. Wie schnell arbeitet man in unbewussten Geschlechterklischees? Und kann man die Geschichten nicht anders noch interessanter gestalten? Es passieren nämlich oft interessante Dinge, einfach nur weil sich Geschlechter ändern. Trotzdem braucht man ein gutes Gespür dafür, weil die Absicht manchmal spürbar ist und dann wirkt es auch nicht glaubhaft. Es muss irgendwie stimmen. Bei Bad Banks war zum Beispiel die Figur Leblancs in den ersten Entwürfen noch ein Mann. Und wie viel mehr ist plötzlich entstanden, dass sie eine Frau war? Die Figur erhielt mehr Dimensionen und Konflikte, weil man merkte, dass sie nicht weiter kommt. Und Jana war zunehmend eine Art Alter Ego von ihr und es entstand ein Kampf der Löwinnen.
Und musstet ihr allerhand Banker-Klischees von den Figuren abschütteln, um zu den Persönlichkeiten vorzudringen?
Einerseits haben wir alle, Oliver, Christian Schwochow, sowie jetzt auch Christian Zübert, der Regisseur der zweiten Staffel, extrem intensive Recherchen gemacht. Das bedeutete aber nicht nur zu verstehen, wie Banken und die Finanzwelt funktionieren, sondern auch mit Menschen zu reden, die dort arbeiten. Und die aus den unterschiedlichsten Ecken kommen, noch ganz am Anfang stehen oder schon oben in irgendwelchen Chefetagen sitzen. In dem Moment sprichst du aber natürlich nicht mit einem Klischee, sondern mit sehr unterschiedlichen Menschen. Auch wenn sie alle den selben Beruf haben. Daneben ist es aber auch eine Autoren-Fantasie, diese Figuren mit Leben und einer eigenen Fantasie zu füllen. Die Idee war von Anfang an, nicht mit Vorurteilen auf diese Welt zu blicken oder eine Geschichte zu erfinden, die bestehende Vorurteile reproduziert. Mein Ansatz war es neugierig zu sein und zu schauen, wie Banker ticken. Ich habe nämlich nie geglaubt, dass ihnen so eine einfache Erklärung wie Gier als Motivation genügt. Mein Menschenbild sagte mir, dass wir alle komplizierter gestrickt sind und nicht eindimensional.
Wenn man eurer Serie Glauben schenkt, dann ist es ja oft ein Sog von Abhängigkeiten, Fallstricken und Reaktionen auf andere, auf welche die Figuren reagieren müssen. Tragischerweise übernehmen sich die Charaktere damit und agieren vielleicht genau deshalb klischeebefreit. Genauso nachvollziehbar sind sie in ihrem Eifer.
Und auch in ihren Widersprüchen. Denn wir wollten keine Geschichte erzählen, in denen unsere Hauptfiguren in erster Linie eine kriminelle Energie haben. Das fand ich langweilig. Sie wollen stattdessen einen guten Job machen. Jana ist zu Beginn einfach eine geniale, junge Investmentbankerin. Und niemand will eigentlich etwas Böses.
Sie sind nur etwas auf ihren eigenen Vorteil bedacht.
Genau. Und dann fängt das an, was du eben beschrieben hast: Du überschreitet einmal eine Grenze – und andere auch. Dann musst du reagieren. Dann lernst du. Und so ergeben sich diese ganzen moralischen Grauzonen, in denen du deine eigenen Grenzen überprüfen oder schauen musst, ob du bereit bist sie zu überschreiten.
Oliver hat im Interview erzählt, dass er Jana in Staffel 2 in jeder Folge in eine ausweglose Situation stecken wollte. Das ist ja echt gemein.
Ein kluger Mensch hat mal gesagt: „Never have pity with your characters.“ Dann werden Geschichten interessant.
Glaubst du denn auch, dass Storytelling heutzutage politischer sein muss und eigene Standpunkte vertreten muss?
Ich bin jemand, der immer so ein bisschen auf Abwehr geht, wenn ich spüre, da soll mir irgendeine Message oder politische Botschaft verkauft werden. Ich finde es extrem politisch oder gesellschaftlich wichtig, die Welt in ihrer Komplexität zu erzählen. So erlebe ich sie und so erleben sie auch die Menschen, glaube ich. Man neigt nämlich dazu sich schnell einfache Antworten zu suchen, weil man sonst nicht mehr klarkommt. Aber eigentlich gibt es keine einfachen Antworten. Deswegen würde ich mich nicht dagegen wehren, unseren Ansatz als politisch zu bezeichnen – entsprechend meiner Definition.
Kannst du uns noch einen kleinen Einblick darin geben, warum die Startup-Szene in Berlin jetzt eine tolle Erzählung für Staffel 2 ist?
Wir hatten vier offizielle Fachberater in der ersten Staffel und drei davon sind wirklich im Laufe der Zeit bis heute vom Investmentbanking in die FinTech-Szene gewechselt. Durch ihren tatsächlichen Berufswechsel konnten sie uns allerhand Insights liefern. Unser Haupt-Fachberater Alexis Puttfarken konnte die zweite Staffel so auch konzeptionell mitdenken. Oliver Kienle hat diese große Entwicklung in der Bankenwelt fast schon visionär vor drei Jahren zum Thema gemacht. Damals habe ich noch nicht einmal was von dem Begriff „FinTech“ gehört. Und jetzt sind diese schon in aller Munde.
Visionär finde ich Bad Banks auch, wenn man sich die EU-Politik von Ursula von der Leyen anschaut, die mit ihrem Green Deal gerade Europa neu erfinden will. Ihr zeichnet ja eine ähnliche Vision. Wie schafft man es immer so nah am Puls der Zeit zu sein?
Man muss wach durch die Welt gehen, ein gutes Gespür haben und sich intensiv mit der Sache beschäftigen. Und wir haben natürlich auch nach den größtmöglichen Kontrasten zur ersten Staffel gesucht. Das ist ja immer die Herausforderung für jede Weitererzählung: Wie viel mehr vom Selben kannst du bringen, aber anders? Da gilt es, eine gute Balance zwischen dem Neuen und Bekannten zu finden. Wir sind froh mit Berlin diesen Kontrast zu Frankfurt und Luxemburg gefunden zu haben. Auch in Bezug auf die Startup-Story, als Gründer-Metropole in Deutschland und Magnet für Talente von überall aus der Welt. Wie du offensichtlich auch ein Gründer bist.
Obwohl mein Weg aus Brandenburg nicht ganz so weit war. Zum Abschluss habe ich noch zwei Fragen zur Veränderung unserer Sehgewohnheiten. Du als Produzentin bist ja wahrscheinlich erst mal euphorisch, weil so viele Inhalte gebraucht werden. Wie beurteilst du dem Markt sonst so?
Ich empfinde es aktuell toll, dabei zu sein. Aber niemand weiß, wie der Content-Boom schon in drei oder in fünf Jahren aussieht, weil wir uns aktuell wirklich in einer disruptiven Phase befinden. Ich denke, er wird noch ein paar Jahre anhalten. Jedoch nicht ewig, da sich der Markt weiter sortieren wird. Im Moment geht es ja, bei allem was ich so beobachte, um Fragen der Marktführerschaft.
Wie bewertest du dann die Ankündigung der Öffentlich-Rechtlichen genau jetzt auch eigene Mediatheken-Originals produzieren zu wollen?
Ich weiß gar nicht, ob Menschen das in der Zukunft oder sogar heute schon überhaupt noch unterscheiden, wo sie etwas gucken. Ob sie fernsehen oder streamen.
Bei Shelfd sagen wir auch immer: Es ist egal wo du etwas schaust, solange es der richtige Inhalt ist.
Total. Deswegen bedeutet diese Initiative glaube ich einfach: Wir wollen ein Programm machen, das auch andere Menschen erreicht. Nicht nur die, die im Moment wirklich nur linear gucken. Das ist ein altes und nicht so flexibles Publikum, die ihre Krimis lieben und so weiter. Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass auch diese neuen Originals noch weiter im Fernsehen ausgestrahlt werden. Warum auch nicht?
Stimmt, da spricht nichts dagegen.
Das gehört beides eh zusammen.