Wie schreibt man eigentlich eine Serie wie Bad Banks? Wir sprachen darüber mit Head-Autor Oliver Kienle. Er verrät, wie man Schlüsselmomente kreiert, was das mit Walter White zu tun hat und ob FinTechs wirklich die Zukunft von Banken sind. In der Mediathek läuft Staffel 2 noch bis 07. März.
Das Gespräch erschien zuerst in der Folge „Talking Money: Alles zu Staffel 2 von Bad Banks – Interviews mit Paula Beer, Oliver Kienle und Lisa Blumenberg“ vom Cliffhanger Podcast (31.01.2020). Wenn du magst, kannst du es dir dort ab Minute 03:25 anhören, oder hier im Artikel lesen.
Oliver, hast du die Hoffnung aufgegeben, dass es noch gute und vor allem gesunde Banker geben kann?
Oliver Kienle: Nee, überhaupt nicht. Ich habe ja auch welche getroffen. Wir bekommen auf die Serie so viele unterschiedliche Reaktionen und du gehörst jetzt zu denen, die denken: Uiuiui, Banker sind alle schlimme Menschen. Eine junge Frau hat letztens zu mir gesagt, dass sie Christelle Leblanc so sympathisch findet und sie ein totales Vorbild für sie sei. Eine andere wollte nach dem Schauen von Staffel 1 umbedingt selbst Bankerin werden. Es gehört dazu, dass eine Serie so vielfältige Reaktionen hervorruft. Und natürlich sind Banker per se keine schlechten Menschen. Was wir erzählen, ist eben ein komprimierter Ausschnitt der Finanzbranche. Unsere Figuren sind so angelegt, dass sie gewisse Voraussetzungen mitbringen, um in diesem umkämpften Umfeld besonders erfolgreich werden zu können.
In Staffel 2 geht es ja weiter darum, wie korrupt die Finanzwelt sein kann. Macht es eigentlich beim Schreiben besonders viel Spaß, wenn man solche Systeme zu Bruch gehen sieht und auch mal einstürzen lässt?
Am Anfang ist man noch ein bisschen unsicher, wenn es darum geht die richtige Balance zwischen Realismus und fiktionaler Überhöhung zu finden. Alles was in Bad Banks passiert, gibt es so nämlich auch in der Welt – und noch tausendmal schlimmer. Speziell nach der ersten Staffel haben sich Menschen aus der Branche gemeldet, die meinten: Das war ja alles ganz süß, was ihr da erzählt habt. Und dass Bilanzmanipulationen ganz normal sei. Andere fanden es ein bisschen übertrieben. Ich fragte mich also, wo liegt nun die richtige Balance? Und habe gemerkt, dass es irgendwann immer den Moment gibt, an dem ich genug wahre Begebenheiten recherchiert habe und ein gutes Gespür für diese Welt bekommen habe. Und dann den Schalter umlegen muss, um wieder Autor zu sein. Dann kann ich nämlich anfangen Dinge zu erfinden und Behauptungen aufzustellen. Besonders toll ist es, wenn meine Überlegungen, wie etwas zusammenhängen müsste, schließlich von unseren Fachberatern bestätigt werden. So geschehen in unserer allerersten Folge, als Jana Liekam mit Insider-Informationen von einer Bank zur nächsten wechselt und ihr Wissen dafür nutzte das viel bessere Produkt zu bauen. Das habe ich erfunden – und später erfahren, dass das ganz normal sei. Das gibt dir als Autor ein unheimliches Selbstbewusstsein.
Ich war bei Staffel 2 entsprechend euphorisch, als ich gehört habe, dass es um FinTechs, nachhaltiges Investment und Grüne Banken geht. Hast du das Prinzip des guten Bankertums jetzt auch verinnerlicht und ist das alles so realistisch, wie es in der Serie dargestellt wird?
Das Thema Nachhaltigkeit ist natürlich realistisch und in dieser und vielen anderen Branchen angekommen. Es wird zunehmend zum Aushängeschild und Kaufargument. Jetzt schauen alle, wie sie das auch für sich finden oder nutzen zu können. Worin die Serie aber besonders realistisch ist, ist zu zeigen, wie schwierig das noch ist und dass insbesondere die Finanzbranche noch überhaupt nicht soweit ist mit Nachhaltigkeit wirklich Geld zu verdienen. Und letztendlich geht es dort ja um die Rendite. Hoffen wir, dass nachhaltiges Wirtschaften ein großes Thema bleiben wird, in den nächsten Jahren und Jahrhunderten. Für die Serie wollte ich diese Bewegung auf jeden Fall als Autor nutzen, um die Hauptfigur mit etwas Positivem zu konfrontieren und ihr eine echte System-Alternative an die Hand zu geben. Quasi als realistischen Gegenentwurf zum klassischen Karriereweg.
Es gibt ja schon Startups wie N26 und die Tomorrow Bank, die in ähnliche Richtungen vorstoßen wie die diversen Teams in der Serie.
N26 hat heute schon das Potential ganze Banken zu ersetzen. Das muss man ganz klar sagen. Aber FinTechs helfen den großen Banken auch dabei ihre eigene Digitalisierung voranzubringen – als Wettbewerber, indem sie aufgekauft werden oder in eigenen Inkubatoren entstehen. Diese Entwicklung ist gut, um die Branche im Ganzen voranzubringen. FinTechs sind also Fluch und Segen zugleich und werden den europäischen Banken, von denen es immer weniger geben wird, langfristig helfen.
Kannst du uns einen Einblick darin geben, wie das war sich mit Branchen-Insidern auszutauschen? Ich habe gelesen, dass es Investmentbankern verboten ist mit Journalisten zu sprechen.
Naja, bei der ersten Staffel war es schon so, dass wir mehrere Treffen hatten, die so ein bisschen geheim waren. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer Verschwiegenheitserklärung zu aktuellen Produkten und allgemeinen Infos über den Berufsstand. Und natürlich hatten die Banker schon einen großen Drang sich mitzuteilen, nachdem sie seit fast zehn Jahren unter Beschuss waren. Sie wollten sich rechtfertigen und Dinge richtig stellen. Dieser Gesprächsbedarf hat uns sehr geholfen bei Staffel 1. In der zweiten Staffel war es noch einfacher, weil inzwischen viele Leute bis in die Politik einfach Fans von Bad Banks sind und gemerkt haben, dass wir sie nicht nur vorführen wollen. Teilweise kamen Leute mit kompletten Bewerbungen als Fachberater auf mich zu. Uns war aber daran gelegen die richtigen Menschen dafür zu finden. Solche, die nicht erst fünf Minuten Kleingedrucktes von sich geben, sondern die etwas von Dramaturgie verstehen und mit denen man eine gemeinsame Sprache findet.
Das Konzept von Staffel 2 hast du wohl schon während des Drehs von Staffel 1 erarbeitet. War das ein besonders kreativer Moment, den du nicht verstreichen lassen wolltest? Damals war die Serie ja noch gar nicht offiziell verlängert.
Richtig! Und für viele war Bad Banks auch eher eine Mini-Serie. In den Augen mancher Beteiligte sollte es bei den sechs Episoden aus Staffel 1 bleiben und ich hatte den Drang recht früh zu zeigen: Nee, nee, das ist eine Serie. Ich wollte ihnen also beweisen, dass das keine Eintagsfliege ist und dass es weitergehen soll. Ja dass alle Figuren so angelegt sind, dass es jetzt erst richtig losgeht. Mein Bedürfnis war es dann schon während des Drehs einen Ausblick zu geben, wie es weitergehen kann. Als die Serie dann Premiere feierte, hatte ich schon ein Jahr an Staffel 2 gearbeitet. Trotz allem war es auch anstrengend alle zu überzeugen, wieder mitzumachen.
Trotz des Erfolges, ja?
Da schwingt dann erst recht die Frage mit: „Hey, wir haben jetzt einen so großen Erfolg. Warum wollen wir das kaputtmachen?“
Also haben die Leute Angst?
Angst ist in der deutschen Film- und Fernsehbranche allgegenwärtig. Aber warum sollte man auch das Risiko eingehen, es jetzt schlechter zu machen? Das ist ein großes Wagnis. Aber die Produzentin Lisa Blumenberg und ich wollten das unbedingt und ich bin froh, dass wir es gemacht haben.
Was war für dich so ein Schlüsselmoment der zweiten Staffel, den du uns vielleicht schon verraten kannst?
Ich darf ja nicht spoilern.
Ich kann dir meinen nennen, den ihr schon im Trailer verwendet habt. Das war eine Szene im Restaurant, in der ganz viele Parteien zusammenkommen und dann zusammengefasst wird, wer alles schon mit wem gegen wen intrigiert hat, um dann die Seiten zu wechseln und nochmal die Seiten zu wechseln. Kannst du uns verraten, wie man so etwas konstruiert und wie man solche Plots schreibt?
Eigentlich immer mit der Konfrontation. Nehmen wir diese Situation mit der Figur Quirin Sydow, gespielt von Tobias Moretti. Ich habe mich gefragt: Was kann dieser Mensch jetzt machen? Dann hilft es manchmal sich zu überlegen, dass er was total Bescheuertes macht. Wie hier: Er geht da rein und labert die anderen einfach voll. Er versucht zu verhandeln, weil er das als Banker im Blut hat.
Das ist sein Werkzeugkasten.
Das sind seine Tools, genau. Man sagt: Okay diese Figur steht an dem Punkt. Was macht er und was kann er besonders gut? Wie nutzt er das und wie geht er jetzt in den Angriff über? Diese Methode hilft oft, weil man auf dem Weg das Gespür dafür verlieren kann, wie Menschen und Konflikte in der Realität wirklich funktionieren. Eine Szene, die ich als großer Serienfan beispielsweise nie vergessen habe, ist als Walter White in Breaking Bad in einer ausweglosen Situation steckt und nicht weiß, wie er das erklären soll. Und sich dann einfach nackt auszieht und in einen Supermarkt läuft. Das war einfach ein großartiger Moment und ich glaube genau so etwas passiert dann, wenn man sich Zeit lässt, darüber nachzudenken, wie der Mann da jetzt rauskommt, ohne dass ihn jemand von außen rettet.
Das ist dann nichts Rationales mehr.
Na er macht das ja, damit jeder sagt: „Oh mein Gott, der hatte einen Zusammenbruch.“ Dann hinterfragt keiner mehr sein komplett irrationales Verhalten und kommt gar nicht darauf, dass es volle Absicht war und er nur so tut als ob. Ich finde es toll, wenn es in Serien den Punkt gibt, wo du als Zuschauer merkst, dass die Figur so im Arsch ist, dass sie einfach keine Möglichkeiten mehr hat. So habe ich mir das Ziel gesetzt in jeder Folge von Bad Banks mindestens eine Mission Impossible zu kreieren – meistens für die Hauptfigur Jana Liekam. Also Situationen, aus denen es partout keinen Ausweg gibt. Und dann findet sie einen Weg! Dabei hilft wieder die Konfrontation: Was könnte ich als dieser Mensch jetzt tun, um da wieder rauszukommen? Das ist immer anstrengend. Auf dem Sofa zu sitzen und dir sowas ausdenken zu müssen. Manchmal dauert es Tage, bis dir was einfällt. Aber ich glaube nur so kann man Szenen wie den nackten Walter White kreieren. Und nach denen muss man suchen!