In dieser 📝 Artikelserie werfen wir im Rahmen des 🌟 Shelfd Streaming Awards 2022 einen Blick zurück auf unser Streaming-Jahr (und darüber hinaus). Dabei betrachten wir alle Neustarts, die uns von Dezember 2021 bis November 2022 in Erinnerung geblieben sind. Die Redaktion konnte den persönlichen Jahresrückblick völlig frei gestalten.
Herausragendes Workplace-Drama
Mit der Serie „Severance“, die im Februar auf Apple TV+ erschien, fing das Streamingjahr 2022 für mich äußerst vielversprechend an: Showrunner Dan Erickson präsentiert darin eine dystopisch anmutende, aber zugleich sehr gegenwartsbezogene Erzählprämisse über die idealisierte Trennung zwischen Leben und Arbeit. Das Ganze war so originell inszeniert, großartig besetzt (u.a. geben sich John Turturro und Patricia Arquette die Ehre) und vieldeutig, dass ich mich sehr auf die zweite Staffel freue!
True Scam: Gaunereien ohne Ende
Gerade als ich dachte, dass das Publikum nun doch wirklich genug von True Crime-Stoffen haben müsste, rollte ein Subgenre auf uns zu, das uns das ganze Jahr über begleiten sollte: Serien und Dokus über Betrügereien im großen Stil und nach wahren Begebenheiten. Diese millionenschweren ‚Scams‘ wurden von Fake-Socialites, betrügerischen Start up-Gründer*innen und reichen Unternehmer*innen begangen.
Während Shonda Rhimes‘ Miniserie „Inventing Anna“ trotz Julia Garner in der Hauptrolle leider reichlich uninspiriert und dumpf daherkam, haben mich die Netflix-Dokus über den „Tinder-Schwindler“ und „Bad Vegan“ über die Restaurant-Unternehmerin Sarma Melngailis zumindest amüsiert. Ein definitives Highlight aus diesem Wust an Produktionen (unter anderem auch „The Dropout“ und „Super Pumped“) war für mich aber die Miniserie „WeCrashed“ über den „WeWork“-Gründer Adam Neumann: Eine sehenswerte und aufschlussreiche Abrechnung mit dem von ‚Hustle-Culture‘ und Start-up-Hysterie geprägten Zeitgeist der Nuller Jahre.
Abgesägt, aber ausgezeichnet
Es ist immer wieder tragisch, wenn eine vielversprechende Serie bereits nach einer Staffel abgesetzt wird. Aber in dieser schnelllebigen und von Überproduktion gezeichneten Streamingwelt scheint dies inzwischen leider an der Tagesordnung. Nichtsdestotrotz seien hier zwei Serien aus 2022 erwähnt, die empfehlenswert sind, obwohl sie unvollendet bleiben werden:
„Archive81“, Netflix: Die nach einem Podcast entstandene Serie bietet sehr viel schleichenden, atmosphärischen Horror, der sich im interessanten Kontext eines zu restaurierenden Video-Archivs entfaltet. Ein interessanter Mix aus Found-Footage-Motiven, Okkultem und Tiefenpsychologischem.
„Paper Girls“, Amazon Prime: Entstanden nach der gleichnamigen Comicbuchreihe widmet sich diese Serie vier ungleichen Teenagerinnen aus den 1980ern, die unverhofft in einen Zeitreise-Konflikt geraten und auf die älteren Versionen ihrer selbst treffen. Es ist sehr traurig, dass man die Entwicklung dieser so liebevoll gestalteten Figuren nicht mehr weiterverfolgen wird können, aber dann lesen wir eben den Comic.
Beeindruckende Blockbuster
Das Kino hat aufgrund der Pandemie schwere Jahre hinter sich und ich fühle mit, da ich dieses kollektive Filmerleben auf gar keinen Fall in Zukunft missen möchte. Dementsprechend galt es für den Kinobetrieb, dieses Jahr möglichst viele Zuschauer*innen wieder in die Sessel fernab ihres Zuhauses zu locken – nur wie? Hollywoods einfallslose Antwort darauf: Mit Blockbustern, die an bewährtes Bestandsmaterial anknüpfen. Und so galt Tom Cruise mit seinem wohlwollend besprochenen und ertragreichen „Top Gun“-Sequel plötzlich als Retter des Kinos.
Geht es auch anders? Jawohl: Das als die „Daniels“ bekannte Regie-Duo Dan Kwan und Daniel Scheinert, die uns schon den herrlich-schrägen „Swiss Army Man“ beschert hatten, lieferte mit „Everything Everywhere All at Once“ ein Multiversum-Sci-Fi-Spektakel, das vor Ideenreichtum, Humor und Herz nur so strotzte und der seelenlosen Franchise-Fabrik des Marvel Cinematic Universe erstaunlich viel entgegenzusetzen hatte – bei doppeltem Unterhaltungswert. Ebenso zeigte Regisseur Jordan Peele („Get Out“, „Wir“), dass Bombast nicht blöd sein muss und präsentierte mit „Nope“ ein Sci-Fi-Horrordrama, das in seinem Kern eine interessante Kritik am Showgeschäft und der Lust am Spektakel übte. Wenn das die Blockbuster der Zukunft sind, immer her damit!